Aktualisiert am 18. Februar 2022 von Dagmar Schlenz
Das Corona-Virus hat auch das Leben auf der Insel Sylt verändert. Seit fast 2 Jahren spüren Einheimische und Gäste die Auswirkungen der Pandemie. Anfang 2022 wurde die Insel durch einen Corona-Ausbruch nach einer Weihnachtsfeier kurzzeitig zum Corona-Hotspot der Nation, die Lage auf Sylt spitzte sich zu. Und im Februar 2022 muss die Biike ohne Publikum stattfinden – schon zum zweiten Mal in Folge. Nach fast 2 Jahren hat man sich an den Corona-Alltag gewöhnt. Aber wie war das eigentlich damals, als das Virus die Insel erreichte?
Frühjahr 2020 – wie es begann
Im Jahr 2020 verbreitete sich ein Virus auf der ganzen Welt – und erreichte schließlich auch die Nordseeinsel Sylt. Mitte März 2020 wurden alle Touristen aufgefordert, die Insel zu verlassen. Es durften auch keine neuen Gäste anreisen und so wurde es auf einmal ganz ungewohnt leer und still.
Hier könnt ihr meine Eindrücke aus diesen zwei Monaten nachlesen und erfahrt, wie sich die Dinge in den Wochen nach der Rückkehr der Gäste Mitte Mai 2020 entwickelt haben. Los geht’s im März 2020.
Ausblick – 05.06.2020
Nach nächtlichem Regen beginnt der Tag mit schöner klarer Luft und einem Sonne-Wolken-Mix. Perfektes Wetter für einen Spaziergang am Meer. Dort ist heute alles wie in Vor-Corona-Zeiten – bis mir das neueste Hinweisschild mit den Abstands- und Hygieneregeln für den Strand ins Auge springt. Wohl eine der ersten Vorbereitungsmaßnahmen für die Sommersaison, nachdem es am Pfingstwochenende ja mancherorts zu eher beengten Verhältnissen am Strand gekommen ist. Ob es Tickets für den Strandzugang oder eine grundsätzliche Beschränkung der Gästeanzahl auf der Insel geben wird, bleibt abzuwarten.
Momentan scheint jedenfalls das Einzige, was die Menschen auf der Promenade und in der Friedrichstraße dazu bringt, die Abstandsregeln einzuhalten, ein ordentlicher Regenschauer zu sein. Wo gerade noch lebhaftes Treiben herrschte, ist die Lage nach einsetzendem Regen binnen kürzester Zeit wieder entspannt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Gemeinde Westerland ihre Abstands-Coaches jetzt nicht mit einem Wasserwerfer ausrüstet.
Wie es den Sommer über auf der Insel weiter geht, darüber werde ich euch auf dem Laufenden halten. Allerdings nicht mehr in dem „Geisterinsel“-Beitrag, den ich mit dieser Veröffentlichung abschließe. Am Sonntag kehre ich zunächst zurück in meine zweite Heimatbasis Hamburg. Aber es wird bald neue Beiträge geben – über schöne Plätze in Deutschland und irgendwann auch aus anderen Ecken Europas und der Welt.
Gegensätze – 01.06.2020
An diesem Pfingst-Wochenende waren die Gegensätze zwischen den verschiedenen Typen von Sylt-Urlaubern leider sehr drastisch sichtbar.
Die einen suchen Ruhe und Erholung bei einer Radtour durch die Felder oder an den leeren Strandabschnitten jenseits der Hot Spots. Und die anderen ignorieren die Existenz des Corona-Virus sowie dadurch bedingte Auflagen komplett und feiern eine Riesen-Party am Kampener Strand. Angeblich sollen sich dort am Samstag etwa 3500 Menschen auf engstem Raum aufgehalten haben, bis die Polizei den Strandabschnitt geräumt und gesperrt hat. Die Schilderungen der Ereignisse gehen allerdings weit auseinander. Die lokale Presse war offensichtlich selbst gar nicht vor Ort und beruft sich auf Aussagen des „Buhne 16“ – Betreibers und der Kampener Tourismusdirektorin, nach denen alles eigentlich ganz entspannt gewesen wäre. Aber es wird wohl zumindest so voll gewesen sein, dass es einen Grund für das Einschreiten der Polizei gegeben hat.
Die Schuld an der ganzen Situation wird nun bei der Landesregierung gesehen, die ja die Entscheidung für die vollständige Öffnung des Tourismus getroffen habe. Interessant bleibt aber die Tatsache, dass an den Strandübergängen offensichtlich Tageskarten verkauft worden sind, obwohl sich nach einer Eingabe u.a. der Gemeinde Kampen gar keine Tagestouristen auf der Insel aufhalten durften. Und es sind auch in erster Linie die Verantwortlichen auf der Insel selbst, die bisher die Gelegenheit verpasst haben, einen neuen Weg für den Tourismus auf Sylt einzuschlagen. So bleibt die Insel weiterhin auch der Ballermann der Reichen, wo man sich mit dem nötigen Kleingeld über sämtliche Regeln hinwegsetzen kann und Rücksichtnahme nur etwas für Verlierer ist.
Das Gute ist, dass sich – ähnlich wie auf Mallorca – die gröhlende Party-Szene nur auf einige Punkte der Insel konzentriert und man an den übrigen Plätzen weiterhin Ruhe und die wunderschöne Natur genießen kann. Unter anderem am Strand beim Westerländer Campingplatz, wo ein Schild mit einer schönen plattdeutschen Aufschrift steht. Frei übersetzt heißt es dort: „Wenn du die See liebst, bewahre sie vor Müll“.
Fehlt noch der Zusatz „und vor Idioten“.
Wahnsinn?! 30.05.2020
Noch bevor die Pfingst-Urlauber an diesem Wochenende auf die Insel gekommen sind, hat hier wohl so mancher am Rad gedreht. Am Westerländer Strand wurden Strandkörbe abgefackelt, am Bahnhof haben Unbekannte ein Schild mit der Aufschrift „Willkommen in Ischgl“ aufgehängt.
Den Urlaubern ist das aber alles scheinbar egal: Hauptsache wieder auf Sylt! Radeln ums Rantumbecken, flanieren in der Friedrichstraße oder saufen in der Sansibar. Eigentlich alles wie immer. Für einen Platz in der Sansibar muss man mindestens 30 Minuten auf dem Parkplatz Schlange stehen. Auch die Baustelle am Westerländer Hauptstrand trübt das Urlaubsvergnügen nicht, obwohl man aus einigen Strandkörben hinter dem Bauzaun nicht auf das Meer, sondern auf große Sandhaufen blickt, die die Bagger aufgetürmt haben. Beim neuen Gosch ist man ebenfalls schmerzbefreit und genießt das Glas Wein im Baustellen-Ambiente.
Schon alles ein ziemlicher Wahnsinn.
Vorbereitungen – 27.05.2020
Eines ist sicher – die 2. Welle wird nach Sylt kommen! Und zwar schon an Pfingsten. Keine Angst, ich meine natürlich nicht die zweite Corona-Infektionswelle, sondern die Welle der Urlauber. Und diesmal ist die Insel noch besser vorbereitet, als an Himmelfahrt. Am Westerländer Hauptstrand wurde schon eine VIP-Area eingerichtet, umgeben von einem Corona-Schutzzaun.
Das könnte natürlich auch die Baustelle für die Verstärkung der Ufermauer sein, aber damit würde man doch nicht ausgerechnet jetzt loslegen, wo wieder Urlauber kommen dürfen – oder etwa doch?
Wie auch immer, überall herrscht emsiges Treiben in Erwartung der nächsten zahlungskräftigen Gäste. Reichte es früher aus, genug kalten Schampus im Kühlschrank zu haben, so ist in diesem Jahr deutlich mehr zu tun: Die Abstandsmarkierungen auf dem Boden müssen nachgemalt, die Regale mit den Masken aufgefüllt und die Strandkörbe in Corona-gerechtem Abstand platziert werden. Auch die lokale Toiletten-Papier-Dealerin hat sich schon mit neuem Stoff eingedeckt.
Kurz gesagt: Sie können kommen, die Pfingst-Urlauber!
Voll, voller, Sylt – 24.05.2020
Das Himmelfahrts-Wochenende und die Hamburger Mai-Ferien gehen heute zu Ende. Für viele Besucher, die heute Abschied von der Insel nehmen, heißt es wieder warten – diesmal auf den Transfer zum Festland. Beim Autozug stehen noch am Nachmittag Autos, soweit das Auge reicht. Einige Straßen sind gesperrt, damit nicht die komplette Innenstadt verstopft ist – die Zufahrt zum Autozug ist nur von Süden möglich.
Wer jetzt aber glaubt, die Insel würde leer, der hat sich sowas von getäuscht. Denn das nächste lange Wochenende steht schon vor der Tür und die Gäste geben sich die – hoffentlich desinfizierten – Klinken der Ferienwohnungen und Hotelzimmer in die Hand. Die Westerländer City ist nach wie vor zugeparkt mit Statussymbolen auf 4 Rädern und an Strand und Promenade ist es für meinen Geschmack immer noch viel zu voll. Bei dem Anblick frage ich mich mittlerweile schon, ob das wohl alles gut gehen wird.
Himmelfahrtskommando? 21.05.2020
Es ist Himmelfahrt – die Sonne scheint von einem strahlend blauem Himmel. In Vor-Corona-Zeiten wären die Tagesgäste in Scharen angereist – aber heute gilt auf Sylt ein Betretungsverbot für sie. Eigentlich mache ich an Himmelfahrt immer einen großen Bogen um die Westerländer Innenstadt, aber heute bin ich dann doch zu neugierig. Wie viele Menschen reisen wohl mit dem Zug an und was ist in der Friedrichstraße los? Gibt es doch Tagesgäste, die sich auf den Weg gemacht haben? Am Bahnhof ein befremdliches Bild – ein Polizeiwagen steht mitten auf dem Bahnsteig.
Als der Zug einfährt, postieren sich zwei Beamte an den Gleisen. Der einfahrende Zug aus Hamburg ist sehr lang und ziemlich voll. Alle aussteigenden Fahrgäste tragen einen Mundschutz, der Anblick erinnert mich an Fernsehberichte aus der Smog-geplagten Stadt Shanghai.
Die Polizisten am Bahnsteig schauen sich genau an, wer heute auf die Insel kommt. Aber keine Spur von den typischen Vatertags-Ausflüglern. Nur hin und wieder werden Reisende ohne Gepäck kontrolliert, aber offensichtlich befinden sich keine Tagesausflügler unter ihnen. Die Neuankömmlinge machen sich größtenteils zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt. Dort werden sie von Transparenten und Schildern mit Corona-Verhaltensregeln empfangen. Die Cafés in der Innenstadt sind gut besucht, aber es herrscht trotz der mittlerweile ungewohnten Menschenmenge kein Gedränge. Allerdings haben einige Wirte wohl keinen Zollstock und die Gäste kein Augenmaß, denn es gibt durchaus Kneipen, vor denen der Mindestabstand zwischen den Tischen nicht eingehalten wird. Das ist aber zum Glück die Ausnahme. Ich werfe noch einen kurzen Blick an den Strand – dort wirkt es schon fast so wie immer. Aber normalerweise wäre an diesem Wochenende etwa dreimal so viele Menschen hier. Mir ist es trotz Abstandsregelung viel zu voll und ich bin froh, dass der Sylter Strand 38 Kilometer lang ist – da findet sich dann auch ohne Probleme ein ruhiges Fleckchen mit viel Abstand.
Sie sind wieder da! 19.05.2020
Gestern ging es nun los – alle durften wieder auf die Insel kommen, und das taten sie dann auch. Schon in den frühen Morgenstunden stauten sich die Sylt-Süchtigen vor der Auto-Verladung in Niebüll – teilweise kam es dort zu Wartezeiten von 3 bis 5 Stunden. Und da die Sylt-Fähre durch die kurzfristige Schließung der dänischen Grenze für Transit-Reisende nach Sylt als alternatives Transportmittel für Urlauber wegfiel, konzentrierte sich alles auf dieses eine Nadelöhr. Da musste man schon viel Geduld haben – aber das haben die Menschen während des Shutdowns ja trainieren können.
Gestern hatte mich das ungemütliche Wetter, mit dem die Insel die Neuankömmlinge empfing, noch davon abgehalten, mir das Treiben in der Innenstadt anzuschauen. Außerdem musste ich noch schnell Toilettenpapier hamstern 🙂
Aber heute am späten Nachmittag locken mich Sonne und Neugier hinaus. Mit einem etwas mulmigen Gefühl geht es am Strand entlang Richtung Westerland. Mal sehen, wie das so läuft mit den vielen Gästen und all den neuen Hygiene-Auflagen. Am Strand und auf der Promenade ist es zwar im Vergleich zu den letzten Wochen richtig lebhaft, aber längst nicht so voll, wie ich befürchtet habe. Bei Gosch am Strand stehen die Gäste mit Abstand in der Schlange, desinfizieren sich die Flossen und setzen ihren Mundschutz auf, bevor sie einzeln in den Laden eintreten. Mit Fischbrötchen und Aperol beobachten wir das Treiben am Strand. Alle sind sehr entspannt, es herrscht eine schöne Stimmung. Man merkt, wie glücklich die Menschen sind, nach Wochen voller Einschränkungen rauszukommen und jetzt hier Urlaub zu machen. Auch für mich fühlt es sich richtig gut an, dass wieder mehr Menschen auf der Insel sind – einfach lebendiger.
Ruhe vor dem Sturm – 17.05.2020
Bevor die für morgen erwartete Touristenwelle über Sylt schwappt, machen wir mit den liebgewordenen E-Bikes noch eine letzte Tour, diesmal in den Osten der Insel. Schön sonnig ist es, der Wind bläst sehr frisch von Westen und weht uns durch Keitum hindurch und weiter bis nach Morsum. Beim Kliff hat man einen schönen Blick auf den Hindenburgdamm, über den ab morgen dann wieder volle Autozüge ihre urlaubshungrige Fracht auf die Insel befördern werden. Heute sind die Züge, die über den Damm rollen, noch ziemlich leer. Etwas wehmütig genießen wir noch mal die Ruhe, entdecken versteckte Plätze wie einen kleinen Angelteich und freuen uns über ein leuchtendes Rapsfeld bei Morsum.
In Morsum rufen einem einige Friesenhaus-Gerippe die Bau- und Sanierungswut einiger Investoren ins Gedächtnis. Beim Anblick der kläglichen Mauerreste, die von der Fränkischen Weinstube mit ihrem hübschen Garten übriggeblieben sind, blutet mir das Herz. Zum Trost gibt es Kaffee und Kuchen To Go vor der schönen Morsumer Kirche.
Bei unserer Rückkehr nach Westerland zieht es sich langsam zu, es wird kalt und ungemütlich. Auf der Promenade und am Strand warten diverse Strandkörbe auf Gäste, auch die Rettungsschwimmer haben heute schon mal ihren Posten bezogen. Das wirkt nicht nur wegen des Wetters etwas befremdlich. Man spürt eine gewisse Unruhe, denn vielen Menschen ist die morgige Öffnung der Insel nicht so ganz geheuer. Auch ich bin gespannt, wie voll es tatsächlich wird und wie der neue (Urlaubs-)Alltag aussieht.
Zurück nach Westerland – 16.05.2020
Nach knapp einer Woche auf dem Festland – mit ein paar Besuchen bei Familie und lieben Freundinnen, die wir gefühlt ewig nicht gesehen haben – geht es endlich wieder auf die Insel. Aber vorher muss man noch die „Einlasskontrolle“ beim Autozug passieren. Ein Polizist prüft akribisch sämtliche Dokumente, die belegen können, dass wir die Bedingungen für das Betreten der Insel erfüllen. Schon ein ziemlich seltsames Gefühl.
Es sind nur wenige Autos, die mit uns auf dem Autozug an Feldern mit Raps vorbeirollen, dessen strahlendes gelb langsam verblasst. Auf dem Hindenburgdamm hüpft das Herz vor Freude, vor uns liegt die Insel und die Sonne glitzert über dem Watt. Kaum ist das Auto geparkt, müssen wir auch noch mal schnell ans Meer. Ein kräftiger Westwind und hohe Wellen locken die Kitesurfer auf das Wasser, noch ist der Strand schön leer. Das wird sich dann am Montag wohl abrupt ändern.
Alles klar – oder? 09.05.2020
Seit dieser Woche geht nun jedes Bundesland eigene Wege bei den Lockerungen – Freundinnen in Schleswig-Holstein, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, dürften wir schon ab heute treffen, die Hamburgerinnen müssen sich noch bis Mittwoch gedulden. Und wenn die nach Schleswig-Holstein kämen? Bevor es zu Verwicklungen kommt, macht heute lieber nur unser Haushalt einen Ausflug zur Vogelkoje nach Kampen. Wir fahren das erste Mal seit Inkrafttreten der Maskenpflicht mit dem Bus – und ich bereue es fast sofort. Mir juckt die Nase, es ist total heiß und stickig, der Schweiß steht mir auf der Stirn, bevor wir überhaupt losfahren. Ich beneide den Busfahrer, der als einziger keine Maske braucht. Die Fahrt zieht sich endlos, wir kurven kreuz und quer durch Wenningstedt. Wer wollte zur Vogelkoje? Ooooohm! Als wir dann nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Bus steigen, reiße ich mir die Maske runter (bestimmt nicht hygienekonform) und atme tief durch. Aber der Spaziergang durch den Wald und über den Deich entschädigt mich für die Strapazen.
Leider zieht so langsam Seenebel auf (passt zu den undurchdringlichen Corona-Regeln der Länder) und auf dem Rückweg am Strand entlang bis Westerland erkennt man alles nur schemenhaft – hier die verlassene Buhne 16, dort ein paar Menschen am Strand und auf dem Wasser ein einsamer Stand Up Paddler.
In Westerland bereiten sich die ersten Gastronomen auf die bevorstehende Öffnung vor – die einen positionieren noch mit dem Zollstock bewaffnet ihre Tische, Gosch erheitert mit origineller Beschilderung. Und nicht nur damit: An der Promenade gibt es schon den ersten Aperol to go, danach sind wir dann auch ein bisschen benebelt.
Betriebsamkeit – 06.05.2020
Kaum waren sie angebracht, die schönen Schilder mit dem Hinweis, es würde zurzeit nicht geräumt auf der Promenade, da konnten sie auch schon wieder entfernt werden. Denn nachdem Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Buchholz Anfang der Woche den 18. Mai als möglichen Starttermin für die Vermietung von Ferienwohnungen genannt hat, herrscht am Westerländer Strand auf einmal hektische Betriebsamkeit. Da wird geschraubt, gebaggert und geschoben, was das Zeug hält.
Unter den staunenden Blicken von Insulanern und gerade angereisten Zweitwohnungsbesitzern wird nun in Windeseile der Strand auf Vordermann gebracht.
Wer jetzt Ruhe sucht, der muss sich vom Wasser zurückziehen. In der Strandstraße ist es nach wie vor sehr leer und verschlafen. Zwischen den Blumenkübeln neben dem Hotel Roth huscht doch tatsächlich ein kleines braunes Wiesel umher. Das Tierchen und ich werden von einem Geräusch aufgeschreckt, das wir schon lange nicht mehr gehört haben: das Rumpeln der Räder eines Rollkoffers auf dem Asphalt. So ein Lärm. Als ich weiter in die Friedrichstraße schlendere, traue ich meinen Augen kaum:
Bei Gosch gibt es wieder Fischbrötchen!!! Da muss ich natürlich sofort zuschlagen. Ob wir das den Zweitwohnungsbesitzern zu verdanken haben, die nicht nur die Sehnsucht nach Ruhe und Meer, sondern auch nach einem Fischbrötchen hergeführt hat?
Verständnis – 04.05.2020
Manch einer musste in den letzten Wochen mit Erstaunen feststellen, dass die Tourismus-Abgabe offensichtlich nicht nur der Finanzierung von Auftritten der „Holiday Party Band“ in der Musikmuschel dient, sondern auch für die Infrastruktur an Strand und Promenade eingesetzt wird. Ohne zahlende Gäste gibt es keine Strandtoiletten, keine gereinigten Wege, keine geleerten Mülltonnen und keine Reparatur von Strandübergängen. Als Reaktion auf zahlreiche Beschwerden der Sylter wurden zwar die Wege nicht geräumt, aber immerhin schöne Schilder mit dem Hinweis auf Corona-bedingte Kurzarbeit aufgehängt. Und die Sylter müssen weiterhin über Sanddünen auf Wegen und Treppen stapfen, wenn sie denn unbedingt an den Strand wollen. Daran wird sich wohl auch durch das Erscheinen der ersten Zweitwohnungsbesitzer erstmal nichts ändern.
Ohne Worte – 03.05.2020
Mir fehlen die Worte. Ein langes Wochenende Anfang Mai mit perfektem Sylt-Wetter, einem Mix aus Sonne und Wolken. Und überall ist es einfach nur unglaublich leer. Ob sich das morgen ändern wird?
Ruhe vor dem Sturm? – 02.05.2020
Das letzte Wochenende in totaler Corona-Abgeschiedenheit, bevor am Montag Zweitwohnungsbesitzer und Dauercamper die Insel „überrollen“.
Na, mal sehen… Die meisten Sylter sind auf jeden Fall am liebsten mit dem Auto unterwegs, deswegen können wir noch mal die leeren Fahrradwege genießen. Heute geht es – wieder per E-Bike – in den Süden, nach Hörnum. Der Natur ist das mit dem Lockdown zum Glück komplett egal, die Vögel zwitschern und die Bäume werden langsam grün. In den Dünenseen quaken fröhlich Kreuzkröten, die sicherlich vom aktuell geringen Verkehrsaufkommen profitieren. Hinter den Dünen im Nordwesten von Hörnum blühen ein paar vereinzelte Rapspflanzen.
Im Hafen in Hörnum liegen die Ausflugsschiffe fest vertäut und warten auf Gäste. Von Willy, der Kegelrobbe, keine Spur. Muss sich wohl selber ein paar Fische fangen. Aber für uns gibt es bei der Hafenliebe leckere Crêpes, die wir in vorgeschriebenem Mindestabstand von 100 Metern unbemerkt von den Möwen genüsslich verzehren.
Maskiert – 29.04.2020
Als letztes Bundesland gilt ab heute auch in Schleswig-Holstein die Maskenpflicht in Bus & Bahn und beim Einkauf. Hier auf der Insel ist die Beschaffung allerdings etwas schwierig- es gibt nur in wenigen Läden Masken zu kaufen, teilweise ziemlich überteuert. Bevor ich auf mein selbstgebasteltes Modell aus Blasentang zurückgreifen musste, kam aber Abhilfe vom Festland: meine Schwägerin hat uns sehr hübsche Masken genäht und zugeschickt. Vielen Dank!!!
Heute kommt die Maske nun das erste Mal zum Einsatz. Als ich sie vor dem Betreten des Supermarktes aufsetze, sehe ich aus, als wollte ich eine Bank ausrauben oder gegen den G20-Gipfel protestieren. Das Atmen fällt schwer und wohin ich laufe, sehe ich auch nicht. Nur keine Panik jetzt! Andere schaffen das ja auch. Und vielleicht habe ich die Maske ja etwas zu hoch gezogen – die Augen muss sie ja nicht bedecken, nur Mund und Nase. Also Maske justieren und dann ab in den Laden.
Der Einkauf selbst verläuft erstaunlich entspannt. Es ist etwas leerer als sonst, alle tragen brav ihre Masken und der Abstand wird tatsächlich auch eingehalten. Meine Mit-EinkäuferInnen haben die gleichen Gewöhnungsprobleme wie ich – wir müssen uns unsere Einkaufszettel direkt vor die (bedeckte) Nase halten, um sie lesen zu können. Und auch die Ware wird zur Begutachtung in Augenhöhe gebracht. Zum Glück laufe ich nirgendwo gegen und kann meinen ersten maskierten Einkauf unfallfrei über die Bühne bringen.
Ich bin aber froh, dass ich die Maske für die Fahrt nach Hause abnehmen darf.
Entspannt bleiben – 27.04.2020
In einer Woche ist es vielleicht soweit – das Betretungsverbot für die Inseln könnte dann gelockert werden. Während die einen die zusätzliche Kundschaft sehnlichst erwarten, werden die anderen zusehends angespannt und nervös. Sie befürchten, die verkeimten Zweitwohnungsbesitzer werden das Virus auf der Insel einschleppen und alle infizieren. Solche Äußerungen hört und liest man jedenfalls momentan häufiger auf Supermarktparkplätzen und im Internet. Dabei ist Sylt in den letzten Wochen alles andere als isoliert gewesen. Täglich kommen dutzende von Berufspendlern auf die Insel und auch der eine oder andere Insulaner unternahm schon einen Ausflug auf das virenverseuchte Festland. Aber das ist ja etwas anderes – oder etwa nicht?
Nun ja, man wird sehen, ob es nächste Woche tatsächlich losgeht – und ob dann hier die Infektionszahlen in die Höhe schießen werden. Ich bleib da jedenfalls erstmal ganz entspannt.
Elektrifiziert – 25.04.2020
Meistens ist es kein Vergnügen, mit mir eine Radtour nach List zu machen. Spätestens hinter Kampen fange ich an zu quengeln oder – bei Gegenwind – zu zetern und zu fluchen. Aber als unser Nachbar uns jetzt erzählt, wie herrlich es war, auf leeren Wegen zum Ellenbogen zu radeln, da will ich das natürlich auch erleben. Das Wetter ist herrlich, Sonne, blauer Himmel und ein paar Wolken, aber auch frischer Nordwind. Was tun? Hatten wir E-Bikes doch bisher als Fortbewegungsmittel für Senioren abgetan, überlegen wir heute, uns doch mal welche zu leihen. Gesagt, getan.
Sämtliche Vorurteile sind sofort vergessen, als wir herrlich entspannt gegen den Wind losradeln. Dazu kommt die wunderbar leere Strecke auf der alten Inselbahntrasse. Hier zieht sich sonst eine Kette von Fahrradfahrern wie an einer Perlenschnur bis hoch nach List. Jedes Überholmanöver will gut geplant sein und man kann es sich kaum erlauben, die Augen vom Radweg zu nehmen, um mal die Landschaft zu genießen. Heute haben wir den Weg fast für uns und können ausgiebig den duftenden Ginster bewundern und den Blick in die Ferne schweifen lassen.
Mit den E-Bikes ist es überhaupt kein Thema, die alte, etwas holprige Straße am Weststrand entlang zu nehmen, von der man so einen tollen Blick auf die Wanderdüne hat. Und natürlich ist auch noch ein Abstecher zum Ellenbogen drin, wo die Schafe und ihre Lämmer ungestört über die Straße trotten können.
Weiter geht’s zum Lister Hafen, wo uns ein ganz ungewohntes Bild erwartet: die nördlichste Fischbude der Welt hat geschlossen, der Platz davor ist leergefegt. Wie die kleinen Kinder freuen wir uns über eine geöffnete Eisdiele und genießen unser Eis und den Kaffee zum Mitnehmen. Etwas Normalität in Zeiten des Lockdowns.
Ausgetrocknet – 24.04.2020
Knochentrocken sind die Böden auf Sylt mittlerweile. Wochenlang hat es nicht mehr geregnet, und der heftige Wind entzieht der Erde noch zusätzlich die Feuchtigkeit. Dieses Wetter macht die momentane Lage besonders befremdlich. Schimpfen sonst im April die Gäste häufig über Regen und Kälte, lacht in diesen Tagen die Sonne von einem strahlend blauen Himmel, während wir in der Corona-Isolation ausharren.
Heute Morgen herrscht dann zu allem Überfluss auch noch Trockenheit in unserer Wasserleitung. Alles Probieren hilft nichts, es kommt kein Tröpfchen aus den Wasserhähnen in Küche und Bad. Nach einem Anruf bei der EVS (Energieversorgung Sylt) sind wir schlauer, es hatte bei uns in der Straße einen Wasserrohrbruch gegeben. Und es sollte einen Wagen geben, an dem man sich Trinkwasser holen kann. Der Wagen ist auch da, aber der Metalltank leer. Also noch ein Anruf bei der EVS. Nach dem ersten Kaffee (mit Mineralwasser) kann ich dann zumindest Wasser aus dem inzwischen nachgefüllten Tank besorgen.
Es ist ja auch in normalen Zeiten schon nicht so einfach, ohne Wasser auszukommen. Aber jetzt, wo man gefühlt den halben Tag mit Händewaschen verbringt, stellt einen das vor besondere Herausforderungen. Wie schaffen das bloß die vielen Menschen, bei denen es zum täglichen Leben gehört, Trinkwasser aus zentralen Brunnen oder Wassertanks zu holen? Unvorstellbar. Ich bin sehr erleichtert, dass gegen Mittag nach einigem Gegurgel und Gezische endlich wieder das kostbare Nass aus der Leitung kommt.
Die norddeutschen Bauern dagegen müssen noch länger warten. Und mit ihnen die zahllosen Insekten, denen Hitzewellen und Dürre ebenfalls zu schaffen machen. Vielleicht kommt er ja nächste Woche, der ersehnte Regen.
Paranoia – 22.04.2020
Seit gestern sind wir nicht mehr ganz allein im Haus, die Wohnung unter uns ist mal wieder bewohnt. Allerdings durfte der Eigentümer seinen Lebenspartner nicht mitbringen, weil der seinen ersten Wohnsitz nicht auf Sylt hat. Ehegattensplitting mal anders. Dieses Betretungsverbot treibt schon seltsame Blüten.
Als ich morgens zurück vom Sport komme, steht auf unserem Parkplatz ein dunkler Kombi. Darin sitzen zwei ernst blickende Männer, die sich Notizen machen. Unser neu angereister Nachbar hat ein Auto mit auswärtigem Kennzeichen und ich vermute sofort Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die den Halter des Fahrzeuges ermitteln. Von dieser totalen Überwachung muss ich gleich meiner Partnerin berichten! Doch noch bevor ich ihr meine Theorie unterbreiten kann, erzählt sie, dass gerade Handwerker dagewesen sind. Sie haben ein Fenster ausgemessen, das ausgetauscht werden soll. Handwerker also. Müssen die denn hier in so einem unauffälligen Wagen aufkreuzen wie jemand vom FBI? Können die nicht in einem Handwerker-Auto kommen? Aber das wurde vielleicht gerade gebraucht, um heimlich Gäste auf die Insel zu schmuggeln 😉.
Desinfiziert und distanziert – 21.04.2020
Seit gestern ist es nun möglich – Shopping light. Aber der Einzelhandel musste erstmal warten. Gestern war ich neugierig auf das 128 seitige Coronavirus Handbuch von Aldi. Nach dem üblichen Einkaufs-Slalom war ich endlich beim Auslagetisch mit den Handbüchern angekommen.
Doch die Enttäuschung war groß, denn ich hatte eigentlich vermutet, dass 120 Seiten davon heraustrennbares Toilettenpapier sein würden. Stimmte aber nicht. Deswegen waren wohl auch noch so viele Exemplare da.
Heute habe ich mich dann mal ins Dänische Bettenlager gewagt. Es kommt aber nicht wirklich Shopping-Laune auf, wenn man sich zunächst die Hände desinfizieren muss und einem dann die (wahrscheinlich) freundliche Mitarbeiterin (konnte ich nicht so genau sehen, sie hatte einen Mundschutz um) den desinfizierten Einkaufskorb reicht und man durch den mit Flatterband verkleinerten Eingang eingelassen wird. Also habe ich nur 2 Händehandtücher erworben. Kann man ja gerade gut gebrauchen.
Und in der Innenstadt war es eigentlich fast so leer wie vor der Lockerung – viele Läden hatten gar nicht auf oder um 16 Uhr schon wieder geschlossen. Das sah in anderen Städten wohl anders aus.
Zuviel Plastik?! – 20.04.2020
Am Wochenende war ich wieder viel am Strand unterwegs. Bei Niedrigwasser sieht man besonders deutlich, was so alles im Meer landet. Eine Menge Plastik ist dabei. Und war man doch in Sachen Einwegverpackungen aus Plastik in Europa schon auf einem ganz guten Weg, so nimmt die Nutzung während der Corona-Krise gerade leider wieder zu. Da sind die Einweg-Plastikhandschuhe, die zum Beispiel bei Aldi nun auch neben den Einkaufswagen hängen und den Einkaufenden ein (trügerisches?) Gefühl von Sicherheit geben sollen. Das heiß begehrte Desinfektionsmittel wird größtenteils in Plastikflaschen abgefüllt. Viele Restaurants liefern ihr Essen in Einwegverpackungen an die hungrige Kundschaft. Ich stelle ja selbst fest, dass ich mein Obst wieder häufiger in eine Plastiktüte packe, weil mir das hygienischer vorkommt. Als ob nicht vorher schon alle mit ihren Fingern an den Äpfeln rumgegrabbelt hätten. Ich hoffe, dass sich dieser Trend bald umkehrt und mit dem Virus auch die Plastikflut wieder eingedämmt wird.
Gefiederte Gäste – 17.04.2020
Ein sonniges Frühlingswochenende steht vor der Tür. So manch einer würde jetzt gerne für ein paar entspannte Tage zum Durchatmen auf die Insel kommen. Aber leider sind Gäste nach wie vor unerwünscht. Schon in den vergangenen Wochen haben einige hartnäckige Sylt-Fans trotzdem versucht, heimlich auf die Insel zu gelangen. Als Handwerker verkleidet zum Beispiel. Es sollen auch schon Insulaner als Menschenschmuggler tätig geworden sein.
Doch die einzigen geduldeten Gäste sind derzeit die Gänse, die auf dem Weg zu ihren Brutplätzen im Norden auf Sylt Rast machen. Viele Nonnengänse bevölkern jetzt schnatternd die Wiesen, um sich für ihren Weiterflug nach Grönland zu stärken. Wenn ein Schwarm heiser krächzender Gänse über mich hinwegfliegt, dann packt mich immer irgendwie das Fernweh. Aber das Reisen muss warten. So lange genieße ich erstmal die Natur hier auf der Insel.
Wenig Veränderung – 15.04.2020
So, nun ist es also raus, dass sich auch bis zum 3. Mai nicht wirklich viel verändern wird. Kontaktsperre? Bleibt bestehen. Restaurants, Kneipen und Cafés? Bleiben geschlossen. Keine Reisen, keine Verwandtenbesuche. Immerhin dürfen kleine Geschäfte bis 800 Quadratmetern Verkaufsfläche unter Auflagen öffnen. Aber ob das hier auf Sylt passieren wird, ist fraglich, denn es gibt weder Personal noch besonders viele Kunden.
Was bleibt? Ach ja! Das mit den Masken. Obwohl Angela Merkel selbst hergestellte Alltagsmasken als „Virenschleudern“ bezeichnet haben soll, wird das Tragen von Masken jetzt offiziell in öffentlichen Räumen empfohlen, in denen der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann. Zum Beispiel im Einzelhandel oder im öffentlichen Nahverkehr. Die Busse auf Sylt können damit wohl nicht gemeint sein, so leer wie sie zurzeit sind. Aber für den Einkauf muss nun eine Maske her. Irgendwo erwerben konnte ich bisher keine. Und eine Nähmaschine habe ich auch nicht. Also habe ich mich mal nach Alternativen umgeschaut. Fündig geworden bin ich beim Strandspaziergang. Da lag es vor mir, das perfekte Material: Blasentang. Der ist von Natur aus schon geformt wie ein Lappen, außerdem nachhaltig und vegan. Und wenn man ihn vor dem Tragen auskocht, um ihn zu desinfizieren, hat man auch noch einen Tee gegen Magen- und Stoffwechselbeschwerden.
Spannung – 14.04.2020
Mit Spannung erwarten jetzt alle, was morgen in Berlin entschieden wird. Wird die Kanzlerin eine Lockerung der aktuellen Kontaktbeschränkungen verkünden? Werden Geschäfte und Cafés unter Auflagen wieder öffnen dürfen? Und wie sieht es mit Schleswig-Holstein und den Inseln aus – bleibt es bei der Abschottung? Oder sind zumindest die momentan ungeliebten Zweitwohnungsbesitzer wieder willkommen?
Beim Gedanken an all diese Wenns und Abers, die in den letzten Tagen in aller Munde sind, werde ich ganz unruhig. Zur Entspannung walke ich erstmal eine Runde durch den Wald. Andere Sportler treffe ich heute nicht – das Wetter ist aber auch nicht so toll. Dafür sehe ich zwei Rehe, das ist hier auf der Insel schon eine Begegnung der seltenen Art. Sie schauen kurz fragend zu mir herüber, als wollten sie sagen „Was will die denn hier?“, dann verschwinden sie im Dickicht. Ihren Fluchtinstinkt haben sie wenigstens noch nicht verlernt, auch wenn die Wildtiere hier momentan ja ein ziemlich ungestörtes Leben haben.
Nicht nur die Tiere, sondern auch einige menschenscheue Insulaner würden die aktuellen Regelungen sicher gerne noch eine Weile beibehalten. Aber die Zeit anhalten wird man nicht ewig können, zu viel hängt nun mal vom Tourismus ab. Und so werden bereits fleißig verschiedene Konzepte erarbeitet. Jeder will mitreden, wenn es darum geht, in welchem Tempo und unter welchen Rahmenbedingungen wieder Gäste auf die Insel reisen könnten. Ich bin gespannt. Nur noch einmal schlafen, dann wissen wir – vielleicht – mehr.
Ungewöhnliche Ostern – 12.04.2020
Zum Osterwochenende gab es ja noch mal eine aktualisierte Liste mit landesspezifischen Anti-Corona-Verhaltensregeln. Den ganzen Samstag habe ich damit verbracht, herauszufinden, was nun wo erlaubt ist und was nicht. Verwandtenbesuche auf der Insel sind zum Beispiel nach wie vor nicht erlaubt. Na ja, wenn die nach dem opulenten Ostermahl massenweise an Atemnot leiden, kann die medizinische Versorgung hier ja auch nicht sichergestellt werden. Besuche auf dem Festland sind aber gestattet – und da dürfen zu Ostern dann auch bis zu 10 Personen anwesend sein. Aber nur Familienmitglieder. Doch bis zu welchem Verwandtschaftsgrad? Verwandte in gerader Linie, LebenspartnerInnen, auch verflossene – aber keine Cousins und Cousinen? Mir schwirrt der Kopf.
Ach, eigentlich auch egal, weil man das ja sowieso lieber lassen sollte mit dem Besuchen.
Ich bin froh, dass eine Fahrradtour zu zweit erlaubt ist – jetzt übrigens auch wieder für Radler aus Hamburg, die einen Ausflug nach Schleswig-Holstein machen wollen. Also radeln wir heute bei wunderbarem Wetter zu zweit zu den Osterlämmern am Deich. Andere Fahrradfahrer treffen wir kaum – dafür sind mehr Leute mit dem Auto unterwegs. Die holen sich wahrscheinlich alle ihr „Ostermenü to go“ in der Sansibar ab.
Zuhause freue ich mich dann über ungewöhnliche Ostergrüße an einem ungewöhnlichen Ostersonntag. Vielen Dank und schöne Ostern!
Die Dinge brauchen Zeit – 10.04.2020
Heute fahre ich das erste Mal seit der Corona-Krise Bus. Immerhin fahren die noch, wenn auch nur einmal pro Stunde. Man soll mit der Guthaben-Karte zahlen, aber meines ist fast verbraucht. Die Aufladung ist nur gegen Barzahlung möglich. Zum Glück hat mein Bargeld, das ich der freundlichen Busfahrerin am langen Arm reiche, schon mindestens 3 Wochen Quarantäne in meinem Portemonnaie hinter sich. Da fällt einem auf, wie die Zeit auch in dieser Krise vergeht. Als wir in Kampen aussteigen, verbleibt noch ein letzter Fahrgast im Bus.
In dem auch als Whiskeymeile bekannten Strönwai stehen erstaunlich viele Autos, obwohl auch hier natürlich alles geschlossen ist. Niemand schlürft Champagner an der Außenbar des Gogärtchens, stattdessen gibt es einen aufmunternden Hinweis, dass alles mit der Zeit nur besser werden kann.
Am Strand gehen wir Richtung Süden, und dass die Dinge manchmal eben Zeit brauchen, wird auch kurz vor Wenningstedt sichtbar. Hier entsteht – trotz Corona – nach Abriss des legendären Strandlokals „Wonnemeyer“ vor über 2 Jahren nun ein Neubau für die Strandversorgung.
Neben dem Gastronomie-Bereich, den wohl die Pächter der bisherigen Übergangslösung „Onkel Johnny’s“ betreiben werden, will man hier jetzt auch 5 Saunamodule aufstellen – für die ruhige Zeit. Aha. Ob es dieses Jahr wohl noch etwas anderes geben wird, als eine ruhige Zeit? Auf jeden Fall kann ich mir vorstellen, dass hier sicherlich auch schon vor dem noch völlig fraglichen Eröffnungstermin so manch einer ins Schwitzen kommen wird.
Alles ruht – 09.04.2020
Nun steht also das Osterwochenende vor der Tür. Eigentlich ist das der offizielle Saisonstart hier auf der Insel. Tausende Gäste reisen dann an, tummeln sich in der Friedrichstraße, flanieren in Kampen umher und bevölkern die Strände. Sylt ist endgültig aus dem Winterschlaf erwacht, und manch einer denkt dann schon wieder wehmütig an die ruhige Nebensaison zurück.
Doch in diesem Jahr schläft die Insel einfach weiter. In Westerland am Hauptstrand steht kaum ein Strandkorb. Die Arbeiten an der Promenade, die für die Saison ein Stück nach Süden verlängert wird, ruhen. Und auch einige der durch die Herbststürme zerstörten Strandtreppen werden erstmal nicht erneuert. Es ist wie in einem Film, bei dem jemand die „Pause“-Taste gedrückt hat. Also lassen wir dieses Standbild in Ruhe auf uns wirken, bis wieder jemand auf „Start“ drückt. Wann auch immer das sein wird.
Draußen gibt’s nur…Sand – 07.04.2020
Solche Sätze wie „Draußen gibt’s nur Kännchen“ oder „Auf der Terrasse nur große Biere“ mag ich eigentlich nicht so gerne. Aber jetzt würde ich mich tatsächlich freuen, sie zu hören. Denn das würde bedeuten, dass es draußen überhaupt wieder etwas gäbe.
Die leeren Terrassen meiner Lieblingslokale, auf denen der Wind so langsam kleine Sanddünen auftürmt, wirken schon ziemlich trostlos. So sieht es hier sonst nur zum Ende der kalten Jahreszeit aus, wenn die Spuren der Herbststürme noch nicht beseitigt sind. Doch jetzt haben wir Osterferien, das Wetter ist toll (und das Anfang April), aber alles ist verriegelt und verrammelt. Immerhin beginnt so langsam die Diskussion über eine Lockerung der Beschränkungen. So hofft Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, dass Restaurants und Cafés nach den Osterferien wieder öffnen können. Und das hofft wohl nicht nur er.
Glückliche Krabben – 06.04.2020
Einige profitieren ja tatsächlich von der aktuellen Krise. Und manchen ist das noch nicht einmal bewusst. Den Nordseekrabben beispielsweise. Denn weil die Krabben schon seit Jahrzehnten aus Hygiene-Gründen nicht mehr in Heimarbeit in norddeutschen Haushalten gepult werden dürfen, transportiert man sie dazu nach Marokko.
Aber auch dort ist das Corona-Virus angekommen, es gibt kaum noch Mitarbeiter, um Krabben zu pulen – was ja zugegebenermaßen auch nicht systemrelevant ist. Die Nachfrage ist ebenfalls stark zurückgegangen, Restaurants haben geschlossen und auf dem Einkaufszettel steht ein Schälchen Krabbensalat für 5 bis 6 Euro jetzt auch nicht gerade ganz oben. Also treten die kleinen Schalentiere ihre tausende Kilometer lange Reise gar nicht erst an. Die Fischerboote bleiben größtenteils in den Häfen und die Krabben können sich ganz ungestört in der Nordsee tummeln.
Aber was, wenn es deswegen zu einer Krabbenplage vor Sylt kommt? Dann müssen wir wohl doch selbst ran, soll gar nicht so schwer sein: Knacken, ziehen, lösen – und nicht zu kräftig anpacken.
Stadt, Land, Schluss – 05.04.2020
Diesen herrlich sonnigen Sonntag nutzen wir für einen ausgiebigen Spaziergang nach Rantum. Die Sonne wärmt, und besonders abends bei Niedrigwasser ist der Strand sehr weit und leer. Nur ein Angler wacht über seine Stellnetze. Eine wunderbare Ablenkung.
Abends in den Nachrichten verstören mich dann aber folgende Bilder: Auf einem Radweg irgendwo zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein stoppen Polizisten Fahrradfahrer aus Hamburg und schicken sie wieder zurück. Was genau soll denn hier verhindert werden? Dass Menschen in ein anderes Bundesland atmen? Denn viel mehr können sie ja an einem Sonntag dort momentan sowieso nicht machen. Aber montags zum Arbeiten ist es dann wieder erlaubt? Man sollte ja meinen, es wäre eine sportliche Betätigung, wenn Städter raus aufs Land radeln. Doch damit ist jetzt an der Stadtgrenze Schluss.
Astrologischer Rat – 04.04.2020
Wie heißt es doch so schön? Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Gerade in diesen Zeiten eine sehr passende Redewendung.
Wenn das Wochenhoroskop des Anzeigenblatts „Hallo Sylt“ nicht von einem Computerprogramm nach dem Zufallsprinzip erstellt wird, dann haben die Verfasser auf jeden Fall Sinn für Humor bewiesen. Denn das Horoskop für meine Partnerin – Sternzeichen Schütze – beginnt mit den Zeilen:
„Wenn Ihnen ihr Leben im Moment eintönig vorkommt, sollten Sie für neuen Schwung sorgen. Sie könnten eine Kurzreise unternehmen oder einmal Freunde einladen“. Ja, ist klar!
Als am Nachmittag die Sonne hervorschaut, versuchen wir dann aber doch, die Ratschläge aus dem Horoskop umzusetzen – unsere Kurzreise wird ein Strandspaziergang nach Westerland. Beim Schlendern auf der natürlich wieder sehr leeren Promenade kommen wir an einem Paar vorbei. Sie sagt gerade zu ihm: „Guck mal, das sind schon Corona-Bänke! Die sind so lang, dass jeder an einem Ende sitzen kann!“ Tja, man kann es momentan wirklich nur mit Humor nehmen. Also testen wir eine der Corona-Bänke und genießen die wärmende Frühlingssonne. In Bayern oder Berlin dürften wir nicht einmal mehr das. Morgen laden wir dann mal Freunde ein – zu einem Treffen per Videochat.
Fitness für alle – 03.04.2020
Gestern Abend hat mir eine Freundin ein Video geschickt, auf dem sie zu den Klängen von „In The Air Tonight“ auf Händen und Füßen eine Treppe erklimmt. Dann rückwärts wieder runter, wohl schneller als geplant, sie landet etwas unsanft auf dem Rücken. Lachend erklärt sie, das sei Treppen-Zumba, ein Online-Vorschlag ihres Fitness-Studios. Sieht gefährlich aus. Außerdem bevorzuge ich Outdoor-Sport.
Während ich also durch die Gegend walke, sehe ich ein Pärchen in Trainingsanzügen, das einen Feldweg entlanggeht. Beide haben leuchtend grüne Plastikringe in den Händen, sie wedelt damit ein wenig herum. Was soll das wohl sein – Corona-Abstandshalter?
Mir entgegen kommt ein Mann, der mit seinem Hund spazieren fährt. Im Auto, wohlgemerkt, auf dem Reitweg – der niedliche Jagdhund läuft nebenher. Den sehe ich schon das zweite Mal hier. Zu seiner Verteidigung könnte man sagen, dass der Fahrer zur Risikogruppe gehört: über 60, männlich.
Im Wald stelle ich fest, dass wohl auch viele Reiter unterwegs sind. Das erkenne ich an den Hufabdrücken und den frischen Pferdeäpfeln auf dem Weg – fast wie in einem Winnetou-Film.
Ein Stück weiter kommt mir eine Frau entgegen, auch mit Nordic-Walking-Stöcken bewaffnet. Freudestrahlend ruft sie mir schon von weitem zu: „Herrlich, so leer hier!“
Na ja, wie man’s nimmt: in der Prä-Corona-Ära ist mir hier nie jemand begegnet 😉
Mehr Menschen als sonst haben jetzt offenbar das Bedürfnis, in irgendeiner Form etwas für ihre körperliche Fitness zu tun. Kann ich aber gut verstehen. Für viele besteht die einzige Bewegung ja momentan nur darin, die paar Meter vom Home-Office-Arbeitsplatz am Esstisch zur Fernsehcouch zurückzulegen.
Co-was? 02.04.2020
An Tagen wie heute sehne ich mich nach der Zeit zurück, als ich bei dem Wort „Corona“ nur an mexikanisches Bier gedacht habe, das eiskalt und mit einer Limette im Flaschenhals serviert wird.
Ein wenig beneide ich die ahnungslosen Schafe am Deich, die einfach weitermachen können, wie bisher: schlafen, essen, rumstehen und glotzen.
Na gut, so wahnsinnig abwechslungsreich ist das auch nicht. Aber dieser extrem eingeschränkte Alltag nervt mich langsam schon. Und vorerst kein Ende in Sicht, da gestern das Kontaktverbot bis zum 19. April verlängert wurde. Um mal ein paar Menschen zu treffen, gehe ich in den Supermarkt. Dort kann man gelegentlich auch das eine oder andere vertraute Gesicht sehen. Wenn man es denn erkennt, denn immer mehr Menschen tragen jetzt auch hier auf der Insel einen Mundschutz in der Öffentlichkeit. Gespenstisch.
Ich nehme mir mal ein paar Corona-Biere mit, der alten Zeiten wegen.
April, April! 01.04.2020
Grauer Tag heute. Noch etwas verschlafen blättere ich durch den „Sylter Spiegel“, den ich vom morgendlichen Einkauf mitgebracht habe. Was steht da auf der Titelseite?
„Nach Corona-Debakel auf Sylt: Reisanbau in Tinnum geplant“
Gebannt lese ich im zugehörigen Bericht, die Sylter sollten aus der Corona-Krise lernen und sich nicht mehr komplett vom Tourismus abhängig machen. Ein zweiter Wirtschaftszweig müsse her, und da würde sich doch Reisanbau auf den häufig überschwemmten Marschwiesen zwischen Tinnum, Keitum und Morsum anbieten.
Ich muss sowieso noch mal in den Baumarkt, Blumendraht für das Mundschutz-Basteln kaufen, da besorge ich mir gleich auch noch ein Paar Gummistiefel. Und rufe dann unter der Telefonnummer an, bei der man sich über die Ausbildung zum Sylter Reiswirtschafter informieren kann.
Geht leider niemand ran…
Hmm, ob das etwa ein Aprilscherz war? Also, ich fände die Idee mit dem Reisanbau ja gut. Hätte bloß in der aktuellen Krise auch nichts genützt, wären doch die polnischen Erntehelfer leider nicht auf die Insel gekommen.
Streifenfrei – 31.03.2020
Am Nachmittag genieße ich noch mal die letzte Sonne auf dem Balkon, bevor von Westen die ersten Wolken des nächsten Tiefausläufers nahen. Immerhin heißt das Tief nicht „Corona“. Gedankenverloren schaue ich in den Himmel – hoch oben ein einsames Flugzeug, der Kondensstreifen deutlich sichtbar. Ein seltenes Bild in den letzten Wochen. Der Flughafen hier auf Sylt wurde am 23. März komplett geschlossen, da offensichtlich diverse Menschen auf dem Luftweg die seit 18. März gültige Zugangsbeschränkung umgangen hatten. Und auch Flüge über Sylt hinweg finden ja aus gegebenem Anlass quasi nicht mehr statt.
Noch weniger los am Himmel war nur im April 2010, als der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den gesamten Flugverkehr in Nordeuropa lahmgelegt hatte. Ach ja – Island! Dahin wollten wir eigentlich im Juni reisen, die Flüge sind schon gebucht. Aber das wird wohl eher nix werden. Viel größer als die Sehnsucht nach der Ferne ist momentan aber sowieso die Sehnsucht nach Nähe.
Gute Tipps – 30.03.2020
In diesen Tagen wird man ja noch mehr als sonst mit guten Tipps für alle Lebenslagen versorgt. Da wären natürlich die Hygiene-Tipps für das richtige Händewaschen. Tipps für die gerade jetzt besonders wichtige gesunde Ernährung. Fitness-Tipps für Zuhause. Tipps, wie man die quengeligen Kinder mit kreativen Basteleien beschäftigt, zum Beispiel mit einem Ostergruß in Form bemalter Eier für die Großeltern. Die können dann die lieben Kleinen an Ostern der Omi Hanni aus sicherer Entfernung zuwerfen.
Aber besonders wertvoll ist ein Tipp von Jürgen Gosch, Sylter Gastronom und Selfmade-Millionär. In einem gestern veröffentlichten Interview mit shz.de gab er den Syltern den Tipp, jetzt nicht Klopapier zu kaufen, sondern lieber günstige Immobilien. Da hätte man mehr davon. Das ich da nicht selbst darauf gekommen bin! Jetzt, wo die Spekulanten vom Festland nicht auf die Insel dürfen, sind die Immobilienpreise auf Sylt ja bestimmt in den Keller gegangen. Da muss ich doch gleich mal die Klopapier-Kasse plündern und einen Termin mit dem Makler vereinbaren!
Einsame Wächter – 29.03.2020
An einem sonnigen Sonntag wie diesem wären sie mehr als gut besucht, all die schönen Terrassen mit windgeschützten Plätzen, an denen man trotz eisigem Nordwind etwas Sonne tanken kann. Aber nun ist alles ausgestorben, der Sand erobert die Holzstege zurück und nur ein paar einsame Holzskulpturen wachen über die verwaisten Strandlokale.
Auch kein Ansturm der Reichen und Schönen auf die Sansibar, der Parkplatz ist leer.
Wann hat es das mal gegeben?
Im Café Lund in Hörnum bekommt man – unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen – immerhin noch Kuchen. Man braucht allerdings etwas Geduld und lange Arme, denn das Geld muss aus sicherer Entfernung auf einen Teller gelegt werden. Ich frage mich, wann wohl das erste Mal für die Geldübergabe ein Obstpflücker (für die Nicht-GärtnerInnen unter uns: das ist ein Stoffsäckchen am Stiel) zum Einsatz kommt.
Für die Seele – 28.03.2020
Vielleicht nicht ganz so eine optimale Idee, bei steifem Wind aus Nordwest eine Radtour zu unternehmen. Aber am Ziel sind die Windböen, die einen fast in den Graben befördert haben, gleich wieder vergessen. Wie auch das Corona-Virus. So ein Spaziergang durch das frühlingshafte Keitum mit seinen alten Friesenhäusern ist einfach Balsam für die Seele. Überall leuchten Narzissen und Blausterne farbenfroh in der Sonne, alles wirkt so ruhig und beschaulich. Man fühlt sich zurückversetzt in eine andere Zeit, als hier noch Kapitäne und Seefahrer lebten. Es ist fast ein normaler Frühlingstag. Jetzt noch ein leckeres Stück Kuchen. Aber bei Nielsens Kaffeegarten holt es uns dann doch wieder ein, das Virus – und für den Außer-Haus-Verkauf sind wir leider zu spät.
Zwanghaft – 27.03.2020
Bei Lidl wird man jetzt zwangsdesinfiziert, bevor man in den Laden kommt. Am Eingang steht ein netter Mitarbeiter mit leuchtend blauen Gummihandschuhen und einer Flasche Desinfektionsmittel. Damit sprüht er die Hände der Kunden und ggf. den Griff des Einkaufswagens ein, bevor man den Laden betreten darf.
Überhaupt hat mein Einkaufsverhalten neuerdings etwas leicht Zwanghaftes. Als Erstes schaue ich mich um, checke die Lage in der Gemüseabteilung. Ich brauche ein paar Äpfel – aber haben die auch den nötigen Sicherheitsabstand zu den Bananen, vor denen eine unentschlossene ältere Dame steht? Ich warte lieber noch, bis sie ausgewählt hat und weitergeht. In den Gängen ist das mit dem Abstand auch nicht so einfach – besonders, wenn gerade die Regale eingeräumt werden und überall Kartons und Paletten stehen. Wie soll ich denn da jetzt durch – mit 1,5 Metern Abstand zum Regalauffüller? Ich nehme einen anderen Gang. Als ich um die Ecke biege, steht mir eine andere Kundin direkt gegenüber. Erschrocken springen wir beide je einen Meter zurück, dabei räume ich fast eine Pyramide mit Dosentomaten ab.
Langsam und vorsichtig bewege ich mich durch den Supermarkt, die Augen mehr auf meinen Weg gerichtet, als auf die Ware – was wollte ich noch gleich kaufen? Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich endlich alles beisammen und kann mich in die mit Wartemarkierungen versehene Kassenschlange einreihen. Irgendwann darf ich dann auch meine Ware aufs Band legen. Den Warentrennstab werfe ich nur noch zwischen den eigenen und den vorigen Einkauf, sicher ist sicher. Jetzt noch schnell bezahlen, mit Karte natürlich, dann ist es für heute geschafft.
Da hat man es wirklich besser, wenn man einfach im Fahrzeug warten darf.
Arme Möwen! 26. März 2020
Knackige Fischbrötchen, leckere Crêpes – das gehört an der Westerländer Promenade erstmal der Vergangenheit an. Das Vermissen nicht nur wir Menschen, sondern auch die zahllosen Möwen vor Ort. Hatten sie sich doch darauf spezialisiert, ahnungslosen Hungrigen den gerade erworbenen Snack zu entreißen. Diverse Möwen-Generationen haben hier ihre Techniken perfektioniert und ihre wertvollen Erfahrungen an den Nachwuchs weitergegeben. Wie man es schafft, ganz unbemerkt von hinten anzufliegen, um dann mit einer gezielten Attacke aus dem toten Winkel über die Schulter des Opfers den heißbegehrten Bissen zu erbeuten.
Und jetzt? Wovon sollen sie jetzt leben? Müssen wir uns nun etwa zur Unterstützung der armen Tiere mit selbstgeschmierten Brötchen auf die Promenade stellen, damit die Möwen in Übung bleiben? Oder werden sie es schaffen, nach einer kleinen Auszeit wieder ihre alte Form zu erlangen? Aber wer weiß, vielleicht stellen sie ja auch fest, dass Muscheln, Seesterne und Fische (ohne Brötchen drumherum) auch ganz lecker sind.
Kleine Botschaft – 25. März 2020
Heute schnappe ich mir mal wieder meine Nordic-Walking-Stöcke und drehe eine Runde durch die Felder und den nahegelegenen Wald. Dabei stolpere ich beinahe über eine kleine Botschaft, die da mitten auf dem Weg liegt.
„Mut“ steht dort in Form von 3 bemalten Steinen.
Warum gerade „Mut“, frage ich mich – und nicht zum Beispiel „Zuversicht“? (Außer, das man dafür hätte mehr Steine bemalen müssen).
Aber vielleicht bietet sich ja jetzt, da unser Alltag gezwungenermaßen so ganz anders ist als sonst, tatsächlich eine gute Gelegenheit, über Veränderungen nachzudenken und diese dann auch in Angriff zu nehmen.
Die Arbeitszeit verkürzen – oder gleich einen anderen Job annehmen. Sich mit jemandem aussprechen. Einen Traum erfüllen.
Wer hat diese Botschaft wohl dorthin gelegt? Gibt es Elfen oder Feen auf Sylt? Mit etwas Fantasie erkenne ich zwischen den Bäumen vage eine diffuse Gestalt, die mir aus der Ferne zuruft:
„Tschakka, du schaffst das“.
Prozentrechnung – 24. März 2020
Eine Qualle besteht zu 99% aus Wasser. Das ändert sich auch nicht.
Die Prozentangaben in der täglichen Corona-Statistik dagegen schon.
Nach Meinung von Experten werden sich insgesamt 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Corona-Virus infizieren. Das sind dann bei knapp 18.000 Einwohnern auf der Insel zwischen 10.800 und 12.600 Menschen.
Eine Menge. Das könnte man jetzt auch noch für ganz Deutschland berechnen.
Könnte man – aber ich genieße dann doch lieber den Abendhimmel.
Kein Kontakt – 23. März 2020
Jetzt also Kontaktsperre – nicht mehr als 2 Personen gemeinsam in der Öffentlichkeit. Auch das ist noch machbar.
Sylt-TV schreibt auf seiner Internet-Seite, dass es wohl inzwischen 2 bestätigte Corona Fälle auf Sylt gibt. Die Gemeinde Sylt hat nach eigenen Angaben keine offiziellen Informationen über positiv bestätigte Fälle – was schon etwas befremdlich wirkt. Man hat das Gefühl, als sei hier die Zeit stehengeblieben und das Virus weit weg. Die Sonne jedenfalls ist unbeeindruckt und erfreut auch noch am Abend die wenigen Strandspaziergänger mit einem wunderbaren Farbenspiel.
Der andere Blick – 22. März 2020
Es ist Sonntag, die Sonne scheint! Ein Spaziergang bei eisigem Ostwind am Morsum Kliff hilft, auf andere Gedanken zu kommen. Und dabei ganz nebenbei zu entdecken, dass es nach wie vor auch noch andere Gefahren im Leben gibt, als Covid 19. Zum Beispiel vom Kliff zu fallen.
Hier, im Angesicht von mehreren Millionen Jahren Erdgeschichte rückt die aktuelle Krise zumindest mal einen Moment lang in den Hintergrund.
Gespenstische Leere – 21. März 2020
Kein Gedränge um die besten Plätze bei Gosch in Wenningstedt oder in der Kampener Kupferkanne – unvorstellbar an einem sonnigen Samstag im Frühling. Noch vor einer Woche haben hier Einheimische und Gäste zusammen das schöne Wetter genossen. Jetzt sitzen nur vereinzelt ein paar Sonnenanbeter auf den Bänken an der Promenade – in sicherem Abstand!
Nicht, dass das hier noch wie eine Corona-Party wirkt.
Und am Strand ist das mit der Distanz sowieso kein Problem.
Kapitulation? Niemals! 20. März 2020
Ein kurzer Bummel durch die Einkaufsstraße zeigt ganz klar: hier geht jetzt gar nichts mehr. Einige Geschäfte bieten einen Lieferservice an und bringen die wenigen Passanten mit originellen Aushängen und Durchhalteparolen wenigstens kurz zum Schmunzeln – so ernst die Lage auch für viele kleine Läden jetzt ist.
Und hier auf Sylt haben wir seit gestern den ersten Corona-Fall – die Person war in einem Risikogebiet und befindet sich in häuslicher Isolation. Mittlerweile gibt es ja auch schon in Deutschland einige Regionen, die einem Risikogebiet gleichkommen.
Die Kassenschlange bei Aldi zum Beispiel – hier klappte das mit dem Abstand halten heute leider nicht besonders.
Daher blicke ich – wie bestimmt viele andere auch – etwas nervös Richtung Wochenende. Das Wetter soll schön werden und so mancher wird mal raus wollen, zum Durchatmen. Und wenn das mit dem Abstand dann nicht besser klappt als bei Aldi, dann wird das Schreckgespenst Ausgangssperre womöglich auch noch zur Realität.
Moin – 19. März 2020
Es ist ein sonniger und windstiller Tag. Ab heute sollten alle Touristen die Insel verlassen haben. Viele Einheimische nutzen das schöne Wetter für einen Spaziergang mit den Kindern, Sport, eine Radtour – ist ja alles zum Glück (noch) erlaubt.
Würden die Menschen, denen ich begegne, mich wohl misstrauisch beäugen, wenn ich sie mit „Guten Morgen“ begrüßen würde, und nicht mit einem nordischen „Moin“ oder einem noch nordischeren Schweigen?
Würden sie erstmal überlegen, ob ich wohl aus dem Süden der Republik zugewandert oder doch ein Corona-Flüchtling bin?
Ich überlege kurz, ob ich einen Selbstversuch wage, entscheide mich dann aber doch für das nordische „Moin“.
Bis bald – 18. März 2020
So viele Mitarbeiter wie heute habe ich im Supermarkt noch nie gesehen – das Verhältnis zu den Kunden ist etwa 1:1. Eifrig werden die Regale aufgefüllt.
Ansonsten wirkt es fast wie ein ganz normaler Tag.
Fast – denn bei einem Blick in die kostenlosen Anzeigenblätter der Insel kommt man an den Tatsachen dann doch nicht mehr vorbei: sie sind voller Informationen zum Thema Corona, dazu Aufrufe an Einheimische und Touristen, sich rücksichtsvoll zu verhalten (die Einheimischen sollen Abstand halten, die Touristen abreisen).
Auch wird einem noch einmal bewusst, was es erstmal nicht mehr geben wird: Kino und Casino verabschieden sich vorerst von ihren Besuchern. Und auch eines der Anzeigenblätter wird zunächst nicht mehr erscheinen.
Warum auch, richten sich doch viele der Anzeige an die Gäste der Insel, die es zurzeit eben einfach nicht mehr gibt.
Es wird ruhiger – 17. März 2020
Einkaufen – etwas Abwechslung vom Home Office. Auf der Insel nicht anders: auch hier leere Paletten, wo sich sonst das Toilettenpapier auftürmt. Und Dosentomaten gibts auch keine mehr…
Zurück vom Einkauf klöne ich mit meiner Nachbarin – mit gebührendem Abstand, sicher ist sicher.
Nach den obligatorischen Corona-Themen tauschen wir uns über den Umbau bei Gosch (dem Sylter Fischrestaurant) in der Friedrichstraße aus, den wir beide nicht so gelungen finden: zu eng, zu ungemütlich, zu steile Treppe.
Ein Stück Normalität, immerhin.
Besucher müssen runter – 16. März 2020
Ab heute morgen wird es ernst: alle Touristen müssen die Insel verlassen. Das klappt natürlich nicht immer so spontan – was leider wohl bei dem einen oder anderen auf Unverständnis stößt. So berichtet uns der lokale Weinhändler, er hätte gehört, dass Menschen, die in Autos mit auswärtigem Kennzeichen unterwegs waren, beschimpft worden seien.
In der Einkaufsmeile in Westerland ist es schon ziemlich ausgestorben.
Die Insel hat vom fünften in den ersten Gang runtergeschaltet.
Am Wochenende noch geschäftiges Treiben, gefüllte Restaurants und Straßencafés. Und nun hat fast alles zu. In den wenigen geöffneten Lokalen herrschen strenge Vorschriften – bis zur Registrierungspflicht der Gäste.
Das Bollwerk wird errichtet – 15. März 2020
Bisher benötigte die Insel nur ein Bollwerk gegen Sturm und Wellen.
Aber jetzt hat der politische Wind gedreht – man entscheidet sich für verschärfte Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus.
Und damit die medizinische Versorgung der Einheimischen auf den Inseln sichergestellt ist, werden drastische Mittel ergriffen:
Sylt macht dicht – rauf kommt ab Montag 6 Uhr nur noch, wer hier seinen ersten Wohnsitz hat oder hier arbeitet.
Sonnige Zeiten – 14. März 2020
Die Sonne lacht vom Himmel – und das lockt noch einmal viele Besucher auf die Insel. Am Strand kann man beobachten, wie mit schwerem Gerät die Steinbuhnen entfernt werden. Zurück bleibt eine wunderliche Lagunenlandschaft, die schon bald wieder durch das Hochwasser ausgelöscht wird.
Vom Winde verweht – 12. März 2020
Ein windiger und grauer Tag auf Sylt. Hier wirkt alles wie immer.
Das Meer tost, die Möwen streiten kreischend um einen erbeuteten Seestern.
Auf der Internetseite des Tourismus-Service wird für die frische Sylter Luft geworben:
„Coronavirus: Urlaub auf Sylt? Ja! Warum? Weil Sie sich hier auf Sylt viel an der frischen Meeresluft aufhalten wollen und genau das auch am besten tun sollten.“
Es scheint, als ob der kräftige Wind das Virus einfach von der Insel bläst.
Wundervolle Bilder – Balsam für die Seele 🤗
Danke – das freut mich!! 🙂
Ich bin gespannt wie es weitergeht und freue mich über Berichte und Bilder in deinem Blog, der mir sehr gut gefällt!!!
Danke! Ich werde weitermachen!
Sehr schöne Bilder 🌊☀️🌈
Eine schöne Abwechslung in dieser ungewöhnlichen Zeit.
Vielen Dank! Ja, auch das Schreiben macht Spaß und ist ne gute Ablenkung 🙂
Bin gespannt, wie es weiter geht 🌻🤗🌻
Schöne Bilder, schöne Worte.
Eine wirklich schöne Ablenkung im Büro (nix Home Office) Alltag.
Freue mich auf die nächsten Tage 😎
😂- wer war den die Person die im Fahrzeug 😉. Großartig der Einkauf bei Lidl!
Liebe Daggi, Du hast Deine Berufung gefunden!!! Herrlich, Deine lakonische Erzählweise, Deine wunderbaren Bilder, die das Ganze abrunden. Du hast Recht, so hat Sylt wohl kaum jemand in den letzten Jahrzehnten gesehen… Weitermachen, bidde!!! Liebe Grüße aus Ost-Holstein mit Touristenstopp as well
Wahnsinnig schöne Bilder und super Abwechslung und sogar Ablenkung in dieser „Coronablödzeit“ Danke, du schreibst so herrlich erfrischend.
Klasse, weiter so!! Ich freue mich auf die nächsten Kommentare. LG Bausi
Vielen Dank, ich gebe mir Mühe! 🙂